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Scheidung – (k)ein Grund zur Sorge?

Heute findest Du wieder einen Gastartikel auf meinem Blog. Ich freue mich, dass Niklas Clamann, Online Scheidung Deutschland, zu Gast ist.

In den vergangenen Jahren habe ich Menschen zusammenkommen und heiraten sehen. Einige sind noch zusammen, andere haben sich getrennt und sind geschieden. Und dann gibt es Menschen, vor allem Frauen, die an Scheidung denken, es aber nicht tun. Ich verstand das ganze zuerst nicht, bis sich mir eine Frau öffnete und sagte: „Ich kann es mir einfach nicht leisten.“

Was sie meinte: Sie arbeitet nur wenige Stunden in der Woche, verdient mit Lohnsteuerklasse 5 gerade mal ein paar hundert Euro. Sie hat zwei Kinder und sagte mir: „Ich kann mir nichtmal eine eigene Wohnung leisten“. Ich war ehrlich schockiert. Daher freue ich mich, dass Niklas heute zu Gast ist auf einfachfreileben.de und grundlegende Infos zu dem Thema gibt.

Scheidung!

Scheidung. Ein Wort, so mächtig wie bedrohlich. In vielen Frauen löst allein der Gedanke an das Ende ihrer Ehe existenzielle emotionale und finanzielle Ängste aus. Und bei manchen sind diese Ängste so groß, dass sie lieber in einer unglücklichen Beziehung verharren, als sich selbstbestimmt für eine Trennung zu entscheiden. Doch die Entscheidung für bedrückende Stagnation ist nie der richtige Weg. In diesem Gastbeitrag möchte ich erklären, welche Sicherungsnetze das Familienrecht für Frauen, die in ihrer Ehe ein klassisches Rollenbild gelebt haben, im Falle der Scheidung bereithält – und wie damit Sprung aus der Ehe nicht zum Ende, sondern zum Neuanfang werden kann.

1. Der Versorgungsausgleich

„Ich war zuhause bei den Kindern, während mein Mann gearbeitet hat. Was soll denn aus mir im Alter werden?“

Eine Sorge, die ich in meinem Berufsalltag häufig zu hören bekomme. Care-Arbeit, also Fürsorge, Pflege und Haushaltsführung im familiären Kreis, wird nach wie vor überwiegend von Frauen verrichtet. Sie wird in unserer Gesellschaft gebraucht, aber anders als die Lohnarbeit weder vergütet noch mit Versorgungsanrechten wie Rentenpunkten honoriert.

Die Lösung hierfür bietet der Versorgungsausgleich.

Dabei zählen die während der Ehe erworbenen Versorgungsrechte als gemeinschaftliche Lebensleistung, die bei einer Scheidung fair aufzuteilen ist. Die Anrechte werden dafür jeweils hälftig geteilt und an den/die Andere:n übertragen. Möglich ist eine interne Teilung, wenn beide Partner:innen bei demselben Versorgungsträger Anrechte erworben haben. Aber auch bei Rentenversicherungen über unterschiedliche Versorgungsträger, etwa bei der Beamtenversorgung, findet eine externe Teilung statt. Der Versorgungsausgleich wird grundsätzlich von Amts wegen, also automatisch vom Gericht, vorgenommen. Etwas anderes gilt nur in Ausnahmefällen wie einer besonders kurzen Ehe von weniger als drei Jahren oder wenn sich die Ehepartner:innen einvernehmlich für einen Ausschluss entschieden haben. Somit kann die Ehe ganz überwiegend mit gleich vielen Versorgungsrechten für beide beendet werden.

2. Der Ehegattenunterhalt

„Ich war nicht oder kaum berufstätig. Mir fehlt es an Aus- und Weiterbildung, an Erfahrung und Referenzen. Ich hätte im Berufsleben keine Chance.“

Auch diese Unsicherheit besteht häufig in Alleinverdienerehen. Wenn die eigene Karriere zugunsten der Care-Arbeit hintenangestellt wurde, bestehen regelmäßig erhebliche Einkommensgefälle. Doch die „eheliche Solidargemeinschaft“ endet nicht sofort mit der Trennung.

Trennungsunterhalt – Geschiedenenunterhalt

Stattdessen hält das Familienrecht einen eigenen Unterhaltsanspruch der wirtschaftlich schwächeren Ehepartner:innen bereit. Zu unterscheiden ist dabei der Trennungsunterhalt, auf den ein Anspruch bis zur rechtskräftigen Scheidung besteht, von dem Geschiedenenunterhalt für die Zeit nach der Scheidung. Das Ziel beider ist es, die ehelichen Lebensverhältnisse auch nach der Scheidung aufrechtzuerhalten und eine Schonzeit für die Ordnung des eigenen Lebens zu gewähren. Die Berechnungsgrundlage bilden sämtliche Einkünfte, also neben denen aus Arbeit etwa aus Kapital- und Aktienvermögen, Unternehmensbeteiligungen, Sozialleistungen und Rente. Abgezogen werden davon die Belastungen wie Steuern, Sozialausgaben und Zinszahlungen. Ist ein:e Ehepartner:in nach dieser Berechnung bedürftig, also nicht allein in der Lage, für den Lebensunterhalt aufzukommen und der/die andere Ehepartner:in leistungsfähig, wird der Unterhaltsbedarf ausgeglichen. Anders als der Versorgungsausgleich müssen beide Formen des Ehegattenunterhalts jeweils separat beantragt werden.

Begrenzung des Geschiedenenunterhaltes

Begrenzt wird insbesondere der Geschiedenenunterhalt allerdings durch den Grundsatz der Eigenverantwortung und der Erwerbsobliegenheit. Demnach sind Geschiedene grundsätzlich verpflichtet, nach der Ehe für den eigenen Unterhalt selbständig zu sorgen. Dies dient nicht nur der finanziellen Entlastung des/der Unterhaltsverpflichteten, sondern auch der Selbständigkeit und der persönlichen beruflichen Entfaltung des/der Unterhaltsberechtigten. Aber auch dieser Grundsatz erfährt Einschränkungen. So besteht bei der Erziehung von Kindern unter 3 Jahren keine Verpflichtung, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Auch bei der Sorge für ältere Kinder kann diese Verpflichtung eingeschränkt sein, etwa indem nur eine Teilzeitstelle angenommen werden muss. Hier werden die Bedürfnisse der Eltern und Kinder im Einzelfall betrachtet. Ebenso kann eine besonders lange Ehe oder krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit den Unterhaltsanspruch verlängern. Als Faustformel für die zeitliche Befristung des Unterhaltsanspruchs kann ca. 1/3 der Ehezeit angesetzt werden. Auch der Erhalt des Lebensstandards ist somit vorübergehend gewährleistet.

3. Der Kindesunterhalt

„Ich kann die Kinder nicht allein versorgen, das geht nicht.“ Die letzte und wohl größte finanzielle Angst, vor der Frauen im Rahmen einer Scheidung stehen. Im Jahr 2020 waren nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes immerhin 83 % der Alleinerziehenden weiblich. Genommen werden soll diese Angst durch den Kindesunterhalt. Er wird bei minderjährigen Kindern von dem Elternteil gezahlt, bei dem das Kind nicht dauerhaft lebt. Die Höhe wird nach der Düsseldorfer Tabelle festgelegt: Das Nettoeinkommen wird hier ins Verhältnis zur Altersgruppe des Kindes gesetzt. Anschließend wird das Kindergeld bis maximal zur Hälfte vom Unterhaltsbetrag abgezogen.

Auch volljährige Kinder haben, wenn sie sich noch in einer schulischen oder beruflichen Ausbildung befinden, einen Unterhaltsanspruch. Wohnt das Kind bei einem Elternteil, wird zur Festlegung der Höhe das Einkommen beider Eltern addiert und der Bedarf wiederum aus der Düsseldorfer Tabelle abgelesen. Da Kinder in diesem Alter nicht mehr betreuungspflichtig sind, wird der Unterhalt von beiden Elternteilen grundsätzlich als Barunterhalt anteilig nach den Einkommensverhältnissen gezahlt. Verrechnet werden können hier allerdings die „Naturalleistungen“, also die Kosten für Unterkunft und Verpflegung. Lebt das volljährige Kind dagegen in einem eigenen Haushalt, steht ihm ein fester Bedarfssatz von aktuell 860 € zu, der ebenfalls anteilig nach den Einkommensverhältnissen und als Barunterhalt gezahlt wird.

Mehr- oder Sonderbedarf

Eine Anpassung des Betrags „nach oben“ kann im Rahmen des Mehr- bzw. Sonderbedarfs vorgenommen werden. Der Mehrbedarf beschreibt Kosten, die regelmäßig anfallen, aber über die Grundbedürfnisse wie Wohnen, Kleiden und Ernährung hinausgehen. So sind auch die Kosten für die Betreuung in Einrichtungen, etwa im Kindergarten oder Hort, Nachhilfe oder Studiengebühren von beiden Elternteilen zu tragen. Fallen im Einzelfall ausnahmsweise besonders hohe Kosten an, etwa eine Klassenfahrt oder die Anschaffung einer Brille, ist auch dieser Sonderbedarf anteilig aufzuteilen.

Eigenbedarf

Die Unterhaltsverpflichtung wird „nach unten“ durch den Eigenbedarf begrenzt. Dieser bezeichnet das Existenzminimum, das einem Menschen trotz Unterhaltsverpflichtung zum eigenen Leben zur Verfügung stehen muss. Er beträgt, abhängig vom Erwerbsstatus, Einkommen und der Art der Unterhaltsverpflichtung, mindestens 960 €. Kann der geschuldete Unterhalt nicht gezahlt werden, ohne den Eigenbedarf zu unterschreiten, liegt ein sogenannter Mangelfall vor. Die konkreten Folgen hängen vom Einzelfall ab. Zunächst erfolgt eine verschärfte Einkommensprüfung um abzuschätzen, ob die finanzielle Situation des Unterhaltsverpflichteten auf zumutbare Weise verbessert werden kann. Dazu zählt die Verpflichtung zum Umzug in eine günstigere Wohnung oder die Annahme eines (besser bezahlten) Arbeitsplatzes. Im weiteren Verlauf werden die Ansprüche der Unterhaltsberechtigten in eine Rangfolge gebracht und gegebenenfalls gekürzt. Ein Ausgleich des fehlenden Differenzbetrags kann für Kinder bis zum 12. Lebensjahr durch den Unterhaltsvorschuss geleistet werden, der beim Jugendamt zu beantragen ist. Auch die Kinder sollten damit nach einer Scheidung finanziell abgesichert sein.

4. Die emotionale Seite oder: Die einvernehmliche Scheidung

„Ich will ihn nicht verletzen, nicht zurückweisen, die Kinder sollen nicht leiden.“

Für diese Unsicherheit in einer Scheidung hält das Familienrecht zugegebenermaßen keine Lösung parat. Bewältigen können sie nur die Ehepartner:innen und Eltern selbst. Dabei sollte auch und gerade das Wohl der gemeinsamen Kinder im Mittelpunkt stehen. Werden diese in das gerichtliche Verfahren eingebunden, stellt die Anhörung, aber auch schon die Gewissheit, dass „um sie gestritten wird“ eine enorme psychische Belastung dar.

Aus meiner Berufserfahrung kann ich sagen: begegnen sich die Erwachsenen auf Augenhöhe und sind bereit, gemeinsame Lösungen und Kompromisse zu finden, fällt die Scheidung allen Beteiligten erheblich leichter. Die Eltern können den Kindern vorbildlich vorleben, wie zwischenmenschliche Konflikte gelöst werden. Die Dauer der Scheidung und damit einhergehend auch ihre Kosten können reduziert werden. Viele Einrichtungen bieten Sozial- und Konfliktberatungen an, wenn man allein nicht vorankommt. Auch beim Jugendamt besteht die Möglichkeit begleiteter Gesprächstermine. Scheidungswillige sollten sich über solche Angebote informieren und sie annehmen. Dann steht einer fairen Scheidung und einem anschließenden zufriedenen Neustart nichts mehr im Weg.

*Titelbild von Steve Buissinne auf Pixabay

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